· 

Bottrops größter Torjäger: Einst Nationalspieler, nun mit Demenz in New York

© imago/Horstmüller | imago sportfotodienst
© imago/Horstmüller | imago sportfotodienst

Er war Nationalspieler und Deutscher Meister mit Werder Bremen, seit Jahrzehnten lebt er in den USA. Doch Klaus Matischak ist in Bottrop unvergessen.

 

• Lesezeit: 9 Minuten

FC Schalke 04 gegen Eintracht Braunschweig im Jahr 1964: Klaus Matischak köpft vor Wolfgang Brase (re.) und Walter Schmidt (l.).

Europa hat er lange nicht mehr gesehen und wird es wohl auch nicht mehr. Der Bottroper Klaus Matischak, wohl der größte Torjäger, der je in dieser Stadt geboren wurde, lebt mit 86 Jahren in einem Heim in den USA nahe New York. „Ich brauche einen Rollator um mich fortzubewegen“, sagte er im letzten Gespräch kurz vor seinem 80. Geburtstag, seine einst flinken Beine machten damals nicht mehr mit. Inzwischen ist der frühere Mittelstürmer dement und kann nicht mehr von früher erzählen.

 

Dabei gibt es da so einige gute Geschichten: 60 Jahre hielt Matischak einen Bundesligarekord, den weder Gerd Müller noch Klaus Fischer, weder Robert Lewandowsi noch Erling Haaland knacken konnten. Er fiel einmal mit einer Glatze auf und gilt Afrikas Fußballer des Jahres 1971 als Lebensretter.

 

Bottroper Klaus Matischak: Er war unser Vorbild

 

Als „feinen Fußballer“ oder auch „Ausnahmespieler“ bezeichnet ihn Fred Bockholt, in den 60er-Jahren Klubkollege beim VfB Bottrop und später 220-mal in der Bundesliga aktiv. „Er war unheimlich präsent als Mittelstürmer, durchsetzungs- und kopfballstark. Bei all dem Spaß mit ihm war er als Sportler total ernsthaft.“ Matischak ist fünf Jahre älter und prägte nicht nur Bockholt: „Er war unser Vorbild.“

 

In Bottrop geboren, wuchs der Angriffsspieler im Münsterland auf, kam mit 16 dann zum VfB, damals festes Mitglied der zweiten Division West und immer mal nach dran am Aufstieg in die Oberliga, Deutschlands damals höchster Spielklasse. In der Saison 1955/56 wurde Klaus Matischak als 16-Jähriger beim VfB Bottrop unter Trainer Willy Multhaup 23-mal eingesetzt und schoss fünf Tore. Mit 18 gelangen ihm 22 Treffer in einer Spielzeit und machten ihn auch für andere Klubs attraktiv. „Zick-Zack“ Matischak lautete sein Spitzname, wegen seiner Finten und schnellen Richtungswechsel. Wie ein Irrlicht hetzte er durch die Strafräume, aber auch, was seine Klubs angeht, nahm er einen Zick-Zack-Kurs, galt der Zeitschrift Sportwoche als „Wandervogel“

© imago/Horstmüller | imago sportfotodienst
© imago/Horstmüller | imago sportfotodienst

Klaus Matischak in seiner Zeit beim SV Werder Bremen.

Bottroper Klaus Matischak: Gleich ein Tor für Deutschland

 

Aus seiner Geburtsstadt ging der heiß Umworbene 1958 zum Karlsruher SC, dem Meister der Oberliga Süd, war seit einem Jahr Amateurnationalspieler. Bei Debüt für Deutschland gegen England steuerte er einen Treffer zum 3:2-Sieg bei. In Karlsruhe setzte Matischak sich jedoch nicht durch und veränderte sich nach zwei Jahren zum FK Pirmasens, für den er 42 Tore in 44 Spielen erzielte. Viktoria Köln mit dem späteren Meistertrainer Hennes Weisweiler holte ihn, 17-mal traf Matischak, aber der Viktoria blieb die Aufnahme in die neu gegründete Bundesliga verwehrt.

So packte der Angreifer wieder seine Sachen und ging nach Gelsenkirchen. Für Schalke traf er in der ersten Saison der neu eingeführten Bundesliga 18-mal, häufiger als Emmerich und Overath und auch als die Weltmeister Hans Schäfer, Helmut Rahn und Max Morlock. Sein Hattrick binnen neun Minuten im Dezember 1963 beim 4:1-Sieg über Saarbrücken zählt noch immer zu den schnellsten der Liga und seine 13 Tore in den ersten zehn Spielen blieben 60 Jahre lang ein Rekord. Erst 2023 wurden sie übertroffen durch Harry Kane bei Bayern München, der 15-mal einnetzte.

Bottroper Klaus Matischak: Meister mit Werder Bremen

Nach enttäuschender Rückrunde und etwas zähem Fluss seines Gehaltes bei den Schalkern suchte der geschäftstüchtige Mittelstürmer wieder das Weite. Sein alter Trainer aus Bottroper Zeiten, „Fischken“ Multhaup, lotste ihn nach Bremen, wo er trotz Verletzungspausen Anteil an der Deutschen Meisterschaft des SV Werder 1965 hatte. „Das ist doch hundert Jahre her“, sagte Klaus Matischak 2014 am Telefon, als die Rede auf den Titelgewinn kam, der sich jetzt zum 60. Mal jährt. Er ergänzte: „Das war sicherlich der Höhepunkt meiner Karriere.“ Zwölf Tore in 19 Spielen steuerte er zum Erfolg der Hanseaten bei, darunter eins im entscheidenden letzten Spiel in Nürnberg zum 3:2-Sieg – und viel gute Laune.

Mit Max Lorenz zählte Klaus Matischak zu den Stimmungskanonen der Mannschaft. Bei der Meisterfeier hatte das Duo die Lacher auf seiner Seite. Auf dem Marktplatz von Lichtenfels, wo Werder auf der Rückreise aus Nürnberg noch ein Privatspiel machte, ließen sich beide publikumswirksam eine Glatze scheren. Nicht aus reinem Spaß, wie Lorenz später zugab: „Die Wette entstand aus einer Laune heraus. Freiwillig eine Glatze? So was gab es nicht. Aber 500 Mark waren damals gutes Geld.“

 

Bottroper Klaus Matischak: Karriere ging früh zu Ende

 

Im Bremer Meisterteam 1965 stand auch ein zweiter Bottroper und ehemaliger VfB-Teamkollege: Diethelm Ferner. Er sagte über seinen Bottroper Kollegen: „Er war für viel Spaß zu haben. Die Sache mit der Glatze war ja nur eine von vielen.“ Horst-Dieter Höttges, Abwehrspieler der Nationalmannschaft, die 1966 in Wembley Weltmeisterschaftszweite wurde, und Weltmeister 1974, deutete Mitspieler Matischak als Urheber seines Spitzennamens aus. Im Training habe Matischak einmal gerufen: „Mensch, Eisenfuß, klopp da nicht so rein!“ Da hatte der eisenharte Abwehrmann sein Stigma weg: „Eisenfuß“.

 

Die Karriere des Torjägers Klaus Matischak ging früh zu Ende, mit 28 im März 1967 in einem Auswärtsspiel bei Bayern München. Sein Knie hielt der Belastung des Profisports nicht mehr stand, 64 Bundesligaspiele und 38 Tore stehen zu Buche.

 

Bottroper Klaus Matischak: So wurde er zum Lebensretter

 

Bei Werder wirkte Klaus Matischak auch noch viele Jahre nach seiner Karriere, vermarktete eine Zeit lang die Stadionzeitung, arbeite in den 70er-Jahren als „Finanzmanager“ neben dem „Ligaobmann“ Rudi Assauer und wurde sogar zum Lebensretter. So jedenfalls stellte es Ibrahim Sunday in einem Artikel für die Berliner „Tageszeitung“ im Jahr 2010 dar.

Der Ghanaer von den Porcupine Warriors („Stachelschwein-Krieger“) des SC Asante Kotoko aus der Millionenstadt Kumasi war 1971 Afrikas Fußballer des Jahres und 1975 der erste Afrikaner in der Bundesliga. Er schrieb, er sei völlig einsam gewesen, es habe niemanden gegeben, den er hätte fragen können, wie Deutschland funktioniert.

 

Bottroper Klaus Matischak: Heidelberg in New York

 

Als Glück empfand Sunday, dass der Klub sein Appartement am Weserstadion kündigte und ihn in eine Wohngemeinschaft mit dem sechs Jahre älteren Teamkollegen verfrachtete: „Ich kann es nicht anders sagen: Der Umzug rettete mein Leben. Ich teilte mir mit Klaus Matischak eine helle Wohnung in der Bismarckstraße, und Zickzack-Matischak, der früher mal für Werder gespielt hatte, lachte viel, er zeigte mir die Stadt und brachte mir ein wenig Deutsch bei. An freien Tagen fuhren wir zu seinen Eltern. Sie mochten mich, ich war wie ein Sohn für sie. Matischaks Mutter kochte meine Lieblingsgerichte, und sein Vater hörte zu, wenn ich ihm erzählte, wie sehr ich Ghana vermisse. Er konnte wunderbar trösten, mit wenigen Worten. Sie machten mich glücklich – für einen Nachmittag oder einen Abend.“

...





Postanschrift

VfB Bottrop 1900 e.V.

Postfach 10 16 30

46216 Bottrop

Partner